Nachhaltige Wärmeversorgung lohnt sich! Solarthermie im Mehrfamilienhaus

Solarthermieprojekt in Freiburg © Stadt Freiburg / Stefan Gebhard

Die Einbindung von Solarthermie in die Wärmeversorgung von Mehrfamilienhäusern kann sich lohnen und ist auch in denkmalgeschützten Gebäuden möglich. Ein Beispiel aus Freiburg zeigt, wie es gehen kann  –  und, dass es prima funktioniert.

Nachholbedarf bei Mehrfamilienhäusern

Im Wärmebereich spielen die erneuerbaren Energien nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle: 2016 lag ihr Anteil am Gesamtwärmeverbrauch bei nur rund 13 %. Der Großteil hiervon entfiel auf die Nutzung von Biomasse.Solarthermie trägt laut Umweltbundesamt bezogen auf den gesamten Wärmeverbrauch in Deutschland bislang nur etwa 4 % bei. Dabei ist es Konsens, dass der Anteil erneuerbarer Wärme im Wärmemarkt substantiell gesteigert werden muss, wenn Deutschland seine Klimaschutzverpflichtungen erreichen will. Insbesondere das Potenzial für Solarwärmeanlagen auf mittelgroßen Mehrfamilienhäusern mit bis zu zwölf Wohnungen ist beachtlich, denn diese Gebäude umfassen immerhin 80 % aller Mietwohnungen in Deutschland! Trotzdem bleibt die Solarthermie bei der Modernisierung des Heizsystems dort oft außen vor – obwohl das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) pro Quadratmeter Solarkollektor bis zu 200 Euro zuschießt und es über die KfW attraktive Kredite gibt.

Demonstrationsprojekt in Freiburg

Die Stadt Freiburg will erreichen, dass dieses Potential zukünftig besser erschlossen wird. Deshalb wurde von der Stadt ein Solarthermie-Demonstrationsprojekt initiiert, das vom Badenova Innovationsfonds gefördert und vom Bauverein Breisgau in Freiburg umgesetzt wurde. Fachlich begleitet wurde das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Ausgewählt für das Pilotvorhaben wurde ein über 100 Jahre altes, denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus-Ensemble mit 92 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Die Wohn- und Nutzfläche liegt bei ca. 5.000 Quadratmeter. Bis zur Neugestaltung der Wärmeversorgung nutzten die meisten Mieter für Warmwasserbereitung und Heizung eine Gasetagenheizung, manche Wohnungen wurden sogar noch mit Einzelöfen beheizt.

Mikrowärmenetz mit Solarthermie, BHKW und Gaskessel

Das neue Gesamtheizsystem wurde Ende 2015 in Betrieb genommen. Es besteht aus einem Mikrowärmenetz mit zehn Wärmespeichern, die jeweils 1.200 bis 1.700 Liter Wasser fassen, aus 76 Flachkollektoren mit einer Gesamtfläche von 191 Quadratmetern und einer Nennleistung von ca. 150 kWth, einem Blockheizkraftwerk mit Leistungen von 20 kWel und 47 kWth sowie einem gasbetriebenen Spitzenlastkessel mit 450 kW Leistung. Hinzu kommt eine Wärmeübergabestation in jeder Wohnung. Mit den Übergabestationen, in denen direkt im Bad das Brauchwasser erwärmt wird, hat man nicht nur das Legionellen-Problem gelöst. Auch der Verbrauch von Wasser und Wärme ist damit gerechter und einfacher abzurechnen. Das Wärmemanagement erfolgt über dezentrale Kontrollsysteme und ist so ausgerichtet, dass die Solarwärme sowohl bevorzugt eingespeist als auch dezentral verbraucht wird. Da das BHKW vergleichsweise klein ausgelegt ist, kann es fast ganzjährig unter Volllast betrieben werden. Der BHKW-Strom wird den Mietern über eine Tochtergesellschaft des Bauvereins für den Eigenverbrauch angeboten.

Niedrige Rücklauftemperatur ist entscheidend

Damit Solaranlage und BHKW effizient arbeiten können, sollte die Zirkulationsmenge zur Warmhaltung des Netzes gering und die Rücklauftemperatur im Heizungsnetz möglichst niedrig sein. In den meisten Teilen des Ensembles liegt sie bei rund 40 Grad Celsius. Um dies zu erreichen, musste die Durchflussregelung bei den verwendeten Wohnungsübergabestationen vom Hersteller leicht modifiziert werden. Hersteller wie zum Beispiel Danfos oder Pewo bieten diese Art der Durchflussregelung inzwischen serienmäßig an.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war die vollständige regelungstechnische Vernetzung der Solarthermie, der BHKW- und Kesselanlage sowie des hydraulischen Netzes mit Pumpen, Ventilen und Fernüberwachungssystem. Die Kosten für das ganze System lagen bei rund 1,26 Millionen Euro, ca. 115.000 Euro davon schlugen für die Solarkollektoren und Solarstationen zu Buche, das BHKW mit etwa 62.000 Euro.

Solarthermie deckt im Sommer 60 % des Gesamtwärmebedarfs

Wie das erste vollständige Betriebsjahr zeigt, funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Wärmequellen und das Management des Wärmenetzes reibungslos. Wesentliche Erkenntnisse sind:

  •  Sehr tiefe Rücklauftemperaturen sowohl im Sommer als auch im Winter erlauben einen hocheffizienten Betrieb des Gesamtsystems. Um dies zu gewährleisten braucht es Übergabestationen, in denen der Durchfluss nicht über die Menge, sondern über die Temperatur des Rücklaufs gesteuert werden.
  •  Der solare Wärmeertrag von 59 MWh deckt rund 10 % des Jahreswärmeverbrauchs des Gebäudekomplexes. In den Sommermonaten liegt der solare Deckungsanteil sogar bei über 60 %.
  •  Das BHKW steuerte rund 48 % der benötigten Wärmemenge bei, 42 % wurden durch den Spitzenlastkessel abgedeckt.
  •  Die Laufzeit des BHKW im Jahr 2016 betrug rund 6150 Stunden. Der gemessene Gesamtwirkungsgrad des BHKW beträgt im Jahresmittel gut 97 %! (30 % elektrisch, 67% thermisch).
  •  Mehr als 75 % der Mieter beziehen Mieterstrom. Deren Stromverbrauch wurde zu 71 % durch das BHKW gedeckt.
  • Solarthermie und effizientere Heiztechnik sparen pro Jahr mehr als 50 Tonnen CO2 ein.

Heizkosten vergleichsweise niedrig

Der Bauverein Breisgau ist zufrieden mit der neuen, innovativen und nachhaltigen Wärmeversorgung in ihrem Ensemble. Auch die Mieter können es sein, denn die Versorgung mit Wärme und Warmwasser ist angesichts des Gebäudealters vergleichsweise günstig: Pro Quadratmeter lag der Jahres-Mischpreis 2016 inklusive Mehrwertsteuer bei 12,75 Euro. Zum Vergleich: Gemäß dem „Heizspiegel für Deutschland“ lagen die durchschnittlichen Heizkosten bei der Versorgung mit Fernwärme bei 13,80 Euro pro Quadratmeter.

Attraktiver Mieterstrom

Auch der Verkauf des BHKW-Stroms an die Mieter hat sich ausgesprochen positiv entwickelt – obwohl das Thema Mieterstrom absolutes Neuland für die Wohnungsgenossenschaft war. Das Tüfteln an einem passenden Modell jedenfalls hat sich gelohnt: Bereits drei Viertel aller Mieter beziehen den preisgünstigen Strom aus eigener Herstellung.

Weitere Informationen: www.freiburg.de/solarthermie-initiative

Autor: Marcus Brian, Fachjournalist, Freiburg im Breisgau