Multitalent Popcorn Neuer Dämm- und Werkstoff Mais in der Testphase
Ob man nun sein Dach dämmen, den Wohnwagen ausbauen oder ein Möbelstück herstellen möchte: Verwendet man herkömmliche Spanplatten, kann das schon mal ins Gewicht gehen. Ist eine Spanplatte 16 Millimeter in der Stärke hat sie beispielsweise bereits ein Gewicht von ca. 10 kg pro Quadratmeter.
Alternative: Popcorn – nur halb so schwer
Wer es gerne leichter haben möchte, greift einfach zu Popcorn. Ja, richtig gelesen. Popcorn – oder auch „expandierte Maiskörner“ – die man doch eher mit einem gemütlichen Kinoabend in Verbindung bringen würde. Doch die kleinen Maiskörner haben deutlich mehr zu bieten. In der Universität Göttingen wurden „Leichtbau-Sandwitchplatten mit einem Kern aus expandiertem Mais“ entwickelt. Sie sind frei von Formaldehydemissionen und bieten dennoch die gleichen mechanischen Eigenschaften wie Spanplatten. Und jetzt kommt der große Pluspunkt: Die Popcorngranulat-Platten sind nur halb so schwer.
Mögliche Einsatzgebiete: Im Möbelbau, dem Dämm- und Automobilbereich sowie im Messe- und Schiffsbau
Die beschichteten Popcornverbundplatten sind ein wahres Multitalent. Es gibt bereits die ersten Popcorn-Möbel, denen man auch ansehen darf, dass Sie aus Popcorn bestehen. Auch im Dämmbereich kommen die Sandwichplatten in Frage, informiert die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, die das „Popcorn-Projekt“ der Universität Göttingen gefördert hat. Denn die Maiskörner haben im expandierten Zustand als Granulat eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit.
Die Idee ist gut – muss aber noch vollends ausreifen
„Interessant ist die Fähigkeit des Popcorngranulats, Formaldehyd ab Temperaturen von 70 Grad Celcius zu binden. Dadurch wird das problematische Gas weder bei der Herstellung noch im Gebrauch freigesetzt“, sagt Professor Alireza Kharazipour von der Uni Göttingen, dem schon vor vielen Jahren die Idee kam, dem Kino-Snack mehr zuzutrauen, denn als reines Nahrungsmittel verwendet zu werden. Entwicklungsbedarf sehe er noch bei der Ausrüstung gegen hohe Luftfeuchte und bei der industriellen Herstellung. Dass der popcornbasierte Plattenwerkstoff jedoch attraktiv für Unternehmen sei liege daran, dass für die Herstellung Maschinen nicht umfangreich umgerüstet oder gar neu angeschafft werden müssten. Holzwerkstoffhersteller könnten die Platten auf ihren bestehenden Anlagen produzieren, sagt der Professor.
Das Herstellungsverfahren
Bei der Forschung wurden zwei unterschiedliche Verfahren angewendet. Im sogenannte „Einschritt-Verfahren“ wird Popcorn für den Kern sowie Holzspäne und Holzfasern für die Deckschickt beleimt und anschließend jeweils gestreut und in einem Zug zu einer Platte verpresst. Beim „Zweischritt-Verfahren“ werden zunächst Popcornverbundplatten hergestellt, die anschließend mit den Deckschichtmaterialien Sperrholz, Dünn-Faser- und Dünn-Spanplatte, Aluminium und Hochdrucklaminat beplankt werden. Zur Verleimung eignet sich eine 4- bis 8-prozentige Beimischung von harnstoffformaldehydbasierten Harzen oder von Methandiisocyanat.
Mit Mais Ressourcen schonen
Dass durch die Verwendung von Popcorn in besagten Bereichen auch Ressourcen geschont werden, trifft den Nerv der Zeit. In der Holzwerkstoffindustrie sind Leichtbaulösungen gefragter denn je, um die knapper werdenden Holz-Ressourcen einzusparen. Und je leichter das verwendete Material ist, desto weniger Transport- und Energiekosten müssen aufgewendet werden. Zudem sind leichte Möbel auch bei den Konsumenten gefragt: Wer schon einmal umgezogen ist, weiß leichte Möbel zu schätzen.