Wärmedämmverbundsysteme Ohne Biozide gegen Algenbewuchs

Algenproblematik

WDVS-Fassaden können leicht von Algenbewuchs befallen werden. Problematisch sind hierbei hydrophob (Wasser abstoßend) angelegte nicht-mineralische Wärmedämmverbundsysteme, bei denen das Wasser nicht in das Material eindringt, sondern auf der Oberfläche stehen bleibt. Dabei geht es nicht allein um Feuchtigkeit durch Regen, sondern vor allen Dingen durch den Tauwasserausfall aus abkühlender Außenluft. Die Dämmung der Fassade sorgt für kühlere Oberflächen an der Außenwand, da weniger Wärme von innen nach draußen dringt und begünstigt so die Tauwasserbildung während der nächtlichen Abkühlung. Eine geringe Wärmespeicherfähigkeit der Materialien verschlechtert diese Situation zusätzlich. Das feuchte Milieu bietet den idealen Nährboden für Algen und Pilze.

Obwohl mineralische Systeme dafür bekannt sind, dass sich ihre bauphysikalischen Eigenschaften günstig auf die Tauwasserproblematik auswirken, werden häufig aus Kostengründen organische WDV-Systeme gewählt, die dann mit einer biozidhaltigen Beschichtung gegen Algenbewuchs ausgestattet sind.

Lösung ohne Biozide

  • Biozide sind aber nicht notwendig. Ähnlich wie beim konstruktiven Holzschutz lässt sich auch die WDVS-Fassade grundsätzlich durch konstruktive Maßnahmen wie Dachüberstände oder größere Laibungstiefen gut gegen Probleme durch witterungsbedingte Feuchtigkeit schützen.
  • Vor allen Dingen aber bringen mineralische Systeme eine ganze Reihe bauphysikalischer Vorteile gerade gegen Feuchte durch Tauwasserbildung mit. Die Feuchtigkeit kann von Anstrich und dem dickeren Putz aufgenommen, zwischengespeichert und später sukzessive wieder abgegeben werden. Dabei sperrt sich der mineralische Putz selbst gegen zu viel Wasser ab. Die Oberfläche bleibt dabei tropfenfrei und Algen haben keine Chance. Mineralische Fassaden trocknen also schneller ab als hydrophobe organische Beschichtungen. In Tauperioden bilden sich in organischen Systemen an der Oberfläche Wassertropfen, die dann relativ lange stehenbleiben.
  • Ein weiterer Punkt sind Verunreinigungen an der Fassade, die ebenfalls den Algenbewuchs fördern und daher vermieden werden sollten. Organische Anstriche neigen durch die Thermoplastizität ihres Bindemittels zu Verschmutzungen, da die Oberflächen durch Hitze klebrig werden können und Schmutzpartikel leichter haften bleiben. Dies passiert beispielsweise mit einem mineralischen Silikatanstrich nicht.
  • Ein letzter Punkt ist die Oberflächentemperatur. Je kühler die Oberfläche, desto leichter kommt es zur Unterschreitung des Taupunktes und damit zur Bildung von Kondenswasser. Wird die Wärmespeicherkapazität der Materialien – von Dämmung und Putz – erhöht, kann auch in der Nacht, durch Nutzung der gespeicherten Wärme, die Oberflächentemperatur erhöht und die Gefahr von Kondenswasserbildung reduziert werden. Eine Möglichkeit hierfür bieten unter anderem mineralische Dickschichtputze und Holzfaserdämmplatten als Dämmung.

Wie groß ist die Gefahr durch Biozide?

Die beim konventionellen WDVS aufgebrachten Biozide werden bei Auftreten von Feuchtigkeit auf der Fassade an die Oberfläche transportiert. Das ist so beabsichtigt, denn nur hier können sie gegen Algen und Pilze wirksam sein. Mit dem nachfolgenden Regen werden sie dann allerdings wieder abgewaschen und gelangen in das Grundwasser. Neben diesem Umwelt belastenden Aspekt ist dadurch auch die Wirkung der Biozide mit der Zeit verpufft. Wird der Wirkstoff gekapselt eingesetzt, also von einem Polymer umhüllt, verzögert dies den Prozess der Auswaschung, stoppt ihn aber nicht.

Obwohl die aktuelle EU-Biozid-Verordnung festlegt, dass Biozidprodukte künftig grundsätzlich keine Wirkstoffe enthalten dürfen, die krebserzeugend oder erbgutverändernd sind, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen oder hormonähnlich wirken, ist ihr Einsatz im Bereich von Putzen und Anstrichen an der Fassade derzeit erlaubt – wenn auch umstritten. Terbutryn beispielsweise gehört zu den Wirkstoffen, die in der Landwirtschaft bereits seit über zehn Jahren verboten sind, an der Fassade jedoch nach wie vor eingesetzt werden dürfen. Dies ist möglich, da für biozidhaltige Mittel in Putzen und Farben derzeit eine Übergangsfrist gilt. Die einzelnen Wirkstoffe werden noch bis 2024 getestet.
Zur Zeit gibt es in Deutschland auf Bundesebene auch kein systematisches Monitoring über die Giftmengen, die durch Biozide an der Fassade in die Gewässer gelangen. In der Schweiz hingegen wurde bereits festgestellt, dass gerade kleine Gewässer stark durch Biozide aus Fassadenanstrichen und -putzen belastet sind.  Terbutryn wird nur an Fassaden eingesetzt und konnte in Gewässern in der Schweiz und in Deutschland in erhöhtem Maße nachgewiesen werden.