HygroSkin Klimasensible Holzhaut für die Architektur

Das Projekt HygroSkin des ICD (Institute for Computational Design) der Universität Stuttgart zeigt eine neue Methode der von klimatischen Bedingungen beeinflussten Architektur. Dabei ist keine aufwendige Technologie nötig. Es werden nur die Eigenschaften des Materials selbst verwendet.
Zu diesem spannenden Projekt haben wir ein Interview mit Herrn Oliver David Krieg von der Universität Stuttgart geführt, der zusammen mit Prof. Achim Menges und Steffen Reichert die Forschung an HygroSkin betreibt.

ÖB: Sie haben mit Ihrem Team die klimasensible Holzhaut (HygroSkin) für die Architektur entwickelt. Wie funktioniert das Prinzip und wie kamen Sie auf die Idee?

Oliver David Krieg: Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen (ICD) hat sich darauf spezialisiert, mit Hilfe von digitalen Entwurfs- und Herstellungsprozessen materialorienterte und effiziente Strukturen und Konstruktionen zu entwickeln. Das Projekt HygroSkin verfolgt dabei das Ziel, zwei Materialeigenschaften von Holz für eine klimasensible Konstruktion zu nutzen. Zum einen werden die Paneele aus nur 4mm dünnem Sperrholz zusammen mit Schaumstoff zu einem ultraleichten Sandwich gebogen und verklebt. Die Möglichkeit, Holz elastisch zu verbiegen spielt dabei eine wesentliche Rolle für die Stabilität der Paneele. Zum anderen hat jedes Paneel eine Öffnung aus klimasensiblen Furnierkomponenten, die schon seit vielen Jahren von meinem Kollegen Steffen Reichert untersucht werden. Die Idee stammt von den ähnlich funktionierenden Kiefernzapfen, die sich bei Änderungen in der relativen Luftfeuchtigkeit öffnen und schließen. Durch eine unterschiedlich schnelle Aufnahme von Feuchtigkeit auf den beiden Seiten des Furniers werden die Holzzellen unterschiedlich weit ausgedehnt und führen so zu einem Verbiegen des Furnierblattes. Eine im konventionellen Holzbau unerfreuliche Eigenschaft des Materials wird dadurch zum wesentlichen Funktionsmerkmal.

ÖB: Wo kommt die Energie für den Vorgang her?

Oliver David Krieg: Das System funktioniert ohne Energie. Lediglich die Aufnahme von Luftfeuchtigkeit bei Änderungen der relativen Luftfeuchte führt zu einem Verbiegen.

ÖB: Lässt sich die Holzhaut auf verschiedenen Bedingungen oder Wünsche einstellen?

Oliver David Krieg: Je nachdem, in welcher relativen Luftfeuchte die Furnierkomponenten hergestellt werden, können sie sich bei hoher Feuchtigkeit öffnen oder schließen. Die genaue Funktion kann also bei der Herstellung eingestellt werden.

ÖB: Bisher nutzen Sie Holz als Werkstoff. Ist es auch möglich, andere Materialien zu benutzen um die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern?

Oliver David Krieg: Die Funktion der Furnierkomponenten kann auf alle Materialien übertragen werden, die sich bei der Aufnahme von Feuchtigkeit ausdehnen. Die Funktion ist außerdem ähnlich der von Bimetallen, wobei hier eine elektrische Spannung oder direkte Sonneneinstrahlung nötig ist.

ÖB: Was für einen Nutzen kann man sich von der Holzhaut versprechen?

Oliver David Krieg: Im Gegensatz zu komplexen Verschattungen von Fassaden, die aufwändige Sensorik und Elektronik benötigen, könnten die klimasensiblen Furnierkomponenten als wesentlich einfachere Lösung eingesetzt werden. Bei den Sandwich Paneelen handelt es sich um ein Beispiel, wie durch materialgerechten Einsatz von Holz und mit Hilfe von komplexen Geometrien ein sehr leichtes Konstruktionssystem entwickelt werden kann, das wesentlich materialeffizienter ist.

ÖB: Mit Ihrem Konzept eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten in der Architektur. Ist die Entwicklung so fähig, dass in Zukunft unsere Wohn- und Geschäftsgebäude damit gebaut werden?

Oliver David Krieg: Bei dem Projekt handelt es sich um einen Prototypen und Demonstrator der Technologie. Wir erwarten, dass in Zukunft immer mehr Gebäude durch den Einsatz von komplexen Leichtbaukonstruktionen gefertigt werden. Allerdings benötigt die Entwicklung eines solchen Konstruktionssystems für einen langjährigen Einsatz in Gebäuden viel Zeit.

ÖB: Wird HygroSkin schon eingesetzt? Kann man sich ein Modell bereits anschauen?

Oliver David Krieg: HygroSkin wurde als Pavillon im FRAC Centre in Orléans ausgestellt und wird in Zukunft auch auf anderen Ausstellungen zu sehen sein. Dies ist der bisher einzige Prototyp des Systems.

ÖB: Welche Schwierigkeiten oder Probleme gibt es noch mit dem System?

Oliver David Krieg: Für den Einsatz in der Architektur sind vor allem Faktoren der Langlebigkeit und Herstellbarkeit ausschlaggeben. Hier handelt es sich größtenteils um Detailfragen im konstruktiven Aufbau. Die klimasensiblen Furnierkomponenten hingegen werden bereits seit fast drei Jahren von uns dauerhaft getestet und haben sich als äußerst langlebig und resistent bewährt.

ÖB: Wie wird daran weitergeforscht?

Oliver David Krieg: Zum einen forschen wir an der Funktionsweise und dem weiteren Einsatzbereich solcher klimsensiblen Öffnungen, zum anderen am Einsatz verschiedener Materialien und Trägerstrukturen.

Das Interview führte Felix Pander im Rahmen des Juniorenprojekts.