Wohnen im Strohballenhaus Konsequent ökologisch

Beim Anblick des Hauses der Familie Louchet in Bayern kommt man nicht auf den Gedanken, dass das Einfamilienhaus zum größten Teil aus Holz, Stroh und Lehm besteht. Und doch ist genau das der Leitgedanke, den die Familie zum Bau bewogen hat: so wenig industrielle Materialien wie möglich zu verwenden. Entstanden ist ein Strohballenhaus mit lehmverputzten Wänden.

Strohballenhäuser sind noch selten in Deutschland

Häuser aus Stroh, Holz und Lehm, wie das der Familie Louchet, sind in Deutschland bisher weitgehend unbekannt. Nach Schätzung des Fachverbandes Strohballenbau Deutschland (FASBA) gibt es zwischen 400 und 500 solcher Häuser. Nicolas Louchet kannte die Bauweise aus seinem Heimatland bereits, dort waren Häuser aus Stroh weiter verbreitet. „In Frankreich ist der Öko-Hausbau weniger industrialisiert, deshalb bauen die Leute mehr selbst“, erklärt der 40-Jährige. Für Häuser aus Strohballen gibt es zwei Bauweisen: die lasttragende Bauweise, bei der die Strohballen eine statische Funktion übernehmen, und Holzständer- bzw. Holzrahmenkonstruktionen mit Strohballen als Dämmmaterial. Für erstere gibt es in Deutschland keine Zulassung – es muss eine Zulassung im Einzelfall beantragt werden, bei der auch die Statik eine wichtige Rolle spielt. Als Dammmaterial sind Strohballen allerdings zugelassen.

Mit Stroh gedämmt

Anna und Nicolas Louchet haben sich für die Holzbauweise entschieden. Mit der österreichischen Firma Spreitzer Planung fanden sie den richtigen Partner für das Bauen mit Stroh und Lehm. Für die gute Dämmung sorgen die mit Stroh befüllten Holzriegel, und die Holzrahmen aus heimischer Fichte wurden passgenau für die Größe der Strohballen angefertigt. Die Außenwände bestehen aus mehreren Schichten: Auf der Außenseite befindet sich die hinterlüftete Holzfassade auf der wasserdichte Holzweichfaserplatten angebracht sind. Die mittlere Schicht ist eine mit Stroh gedämmte Holzständerkonstruktion und für die Innen-Verschalung brachte ein Zimmerer Holzbretter aus Fichte an. Schilfrohr, das als Putzträger dient, wurde im letzten Schritt mit Lehm aus der Region verputzt. Der Baustoff reguliert die Feuchtigkeit im Haus und sorgt nebenbei für ein angenehmes Raumklima.

Mit Lehm für ein angenehmes Raumklima

Beim Lehmputz gibt es üblicherweise drei Schichten: Die unterste Schicht ist der Grobputz, bei dem kleine Steine und gehäckseltes Stroh unter den Lehm gemischt werden. Die zweite Schicht ist der weinger grobe Feinputz, dem anstelle Steinen Zellulose untergemischt wird. Die oberste Schicht nennt sich Edelputz, der am glattesten von allen ist. Die Wohngesundheit durch baubiologisch einwandfreie Materialien hatte eine sehr hohe Priorität für Anna und Nicolas Louchet. Ein Beispiel: Die Elektroinstallationen sind durch eine Ummantelung aus Metall abgeschirmt, so dass sie keinen Elektrosmog ausstrahlen können.

Heizen mit Sonne und Holz

In dem Einfamilienhaus nach dem Sonnenhaus-Bau- und Heizkonzept erzeugen 30 Quadratmeter Solarkollektoren den Großteil des Wärmebedarfs der vierköpfigen Familie. Bei diesen Häusern werden mindestens 50 Prozent des Wärmebedarfs solar erzeugt. Die Familie entschied sich für eine große Solarwärmeanlage, die die Firma Schuster Gebäudetechnik aus dem bayerischen Büchlberg plante. Damit ein großer Teil des jährlichen Heizenergiebedarfs solar erzeugt werden kann, musste die Kollektorenfläche für die tiefer stehende Wintersonne optimiert werden und die Kollektoren möglichst steil angebracht sein. So konnten auf der Südseite des Daches auf einer 60 Grad steilen Teilfläche 30 Quadratmeter Solarkollektoren installiert werden, die zwischen 60 und 70 Prozent des Wärmebedarfs von knapp 200 Quadratmetern decken. Die Wärme wird in einem Speicher mit vier Kubikmeter Fassungsvermögen zwischengespeichert, der  mit einem Durchmesser von etwa eineinhalb Metern einschließlich 25 Zentimeter Dämmung sehr platzsparend ist. Der zentral platzierte und mit Lehm verputzte Speicher hat aber auch noch eine andere Funktion: Er ist ein Hingucker im Eingangsbereich, um ihn herum schlängelt sich die Treppe in das Obergeschoss.

Für die restliche Heizenergie sorgt ein Naturzug-Holzvergaserheizkessel, der im Wohnzimmer steht. Die Wärme des wasserführenden Holzofens wird zu einem Teil in den Raum abgegeben, zum größeren Teil aber für spätere Nutzung gespeichert. Über eine sanft temperierte Wandflächenheizung wird sie im Haus verteilt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im ersten Jahr brauchte die Familie nur rund einen Raummeter Holz zum Nachheizen.

Strombedarf eines Ein-Personen-Haushalts

Die Familie verbrauchte im ersten Jahr nur etwa 1.700 Kilowattstunden Strom. Zum Vergleich: Üblicherweise werden etwa 4.200 Kilowattstunden Strom im Jahr für einen vierköpfigen Haushalt gerechnet. Zu diesem niedrigen Stromverbrauch trägt zum einen die Haustechnik bei – die Raumtemperatursteuerung läuft stromlos über flüssigkeitsgefüllte Thermostate. Die Solar- und Heizungstechnik wird mit hocheffizienten Umwälzpumpen betrieben und es gibt auch keine Lüftungsanlage. Zudem verzichten Anna und Nicolas Louchet auf gewisse Haushaltsgeräte: Einen Trockner, eine Gefriertruhe und einen Fernseher sucht man bei ihnen vergebens, und ein Handy wollen sie auch nicht.

Auf einen Blick – Daten & Fakten

Strohballenhaus / Einfamilienhaus am Chiemsee/Bayern

  • 186 qm Wohnfläche (beheizte Fläche)
  • Wohnfläche: Erdgeschoss 94,73 m² – Obergeschoss 91,89 m²
  • Außenmaße: 13,30 x 10 Meter
  • Bau von September 2014 bis August 2015
  • Norm-Gebäudeheizlast (berechnet): 5.818 W
  • Spezifischer Heizwärmebedarf pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche: 47,23 kWh/m²a bzw. 10.468 kWh/a absolut
  • Spezifischer Primärenergiebedarf pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche: 26,70 kWh/m²a bzw. 5.912 kWh/a absolut
  • Außenwände und Obergeschossdecke: U-Wert 0,14 W/m²K
  • Bodenplatte zu Erdreich: U-Wert 0,13 W/m²K

Strohballenhaus-Konzept / Baubiologie:

  • Holzständerbauweise mit Strohballen als Kerndämmung
  • Lehmputz und Lehmfarben
  • Zellulose ohne Druckerschwärze für die Dämmung des Bodens und des Pufferspeichers
  • Abgeschirmte Elektroinstallationen
  • Heimische Hölzer (Fichte, Lärche, Esche)

Sonnenhaus-Heizung:

  • 30 Quadratmeter Solarkollektoren
  • Neigungswinkel Solarfläche: 60 Grad
  • Solarer Deckungsgrad: ca. 60 – 70 Prozent